Rechtstipp Berufsgenossenschaften

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29.05.2017 Wenn Arbeit krank gemacht hat

Arbeitnehmer sind gesetzlich gegen die Folgen von Arbeitsunfällen versichert. Das gilt auch, wenn eine Berufskrankheit vorliegt. Anders als bei Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung zahlen nicht Arbeitnehmer und Arbeitgeber anteilig die Beiträge, sondern der Arbeitgeber zahlt die Beiträge alleine. Im Gegenzug muss der Verunfallte oder Erkrankte dann keine Ansprüche gegenüber dem Arbeitgeber gelten machen, sondern sich mit der Berufsgenossenschaft auseinandersetzen.

Die Auseinandersetzung mit der Berufsgenossenschaft ist oft ein Kampf gegen Windmühlen. Die Streitpunkte bei einem erlittenen Arbeitsunfall oder beim Verdacht auf das Vorliegen einer Berufskrankheit sind vielfältig. Immer wieder stellt sich etwa die Frage, ob die verbliebene Verletzung nach einem Sturz während der Arbeit Unfallfolge oder war das betroffene Gelenk zuvor schon geschädigt war.

Was kann der Betroffene tun um seine Ansprüche zu wahren?
Zunächst ist es wesentlich, dass der Unfallhergang so genau wie möglich geschildert wird. Unfälle werden der Berufsgenossenschaft mit einem Vordruck gemeldet. Diese sehen oft eine umfangreichere Schilderung gar nicht vor, so klein ist die Spalte.

Dabei ist es wesentlich, den Hergang möglichst genau zu schildern. Manchmal wird nach Aktenlage dann schon ein Zusammenhang verneint, weil nach der Schilderung biomechanisch die Verletzungsfolge so gar nicht geschehen konnte, weil nicht genügend Kräfte auf das verunfallte Gelenk einwirken konnten.

Ein Beispiel: Der Betroffene hatte als Unfallursache ein Wegrutschen mit Sturz nach hinten angegeben. Bei genauerer Nachfrage war er aber nicht einfach weggerutscht, sondern mit dem Fuß dabei in einer Bodenrinne hängengeblieben. Dass dann beim Sturz andere Kräfte auf das Kniegelenk einwirken, kann man sich auch als Nichtmediziner vorstellen.

Auch kleine Verletzungen unbedingt als Arbeitsunfall dokumentieren
Auch kleine Verletzungen können große Folgen haben, wie folgendes Beispiel zeigt: Ein Arbeiter hatte draußen aufgeräumt und sich einen blutenden Kratzer an einem Gebüsch zugezogen. Dies aber nicht weiter beachtet.

Er erlitt am Wochenende auf einmal Fieberschübe, er hatte eine erhebliche Infektion. Diese konnte tatsächlich durch den Kratzer entstanden sein. Aber weil kein Unfall gemeldet war und keine Zeugen vorhanden waren, hatte er schon überhaupt keine Chance dies nachzuweisen.

Denn natürlich kann man sich Kratzer oder Splitter im Auge oder sonstige Verletzungen auch in seiner Freizeit zugezogen haben. Die Beweislast liegt hier beim Arbeitnehmer

Besonderheiten des Einzelfalles werden oft ignoriert
Bei manchen Berufskrankheiten kommt es darauf an, wie viele Jahre mit Schadstoffen bestimmter Konzentration Kontakt bestanden hat. Oder bei anderen, wie viel Zeit der Arbeitszeit auf die schädliche Belastung entfällt.

Für jede der Berufskrankheiten gibt es also spezielle Anforderungen, die zu erfüllen sind, damit die sogenannte arbeitstechnischen Voraussetzungen vorliegen. Bei den Ermittlungen der Berufsgenossenschaften bleiben die Besonderheiten des Einzelfalls schon einmal unberücksichtigt.

Manchmal gelingt es dann mit Hilfe von Zeugen oder konkreten Beschreibungen der Arbeitsvorgänge, die Hürde doch noch zu nehmen.

Genaue Aufklärung der Tatsachen erforderlich
Ein Monteur hatte kniebelastend arbeiten müssen. Da aber nicht jede kniebelastende Tätigkeit zur Meniskusschädigung führt, wurden die Anspruchsvoraussetzungen hier verneint und eine Berufskrankheit abgelehnt.

Der Monteur konnte dann mittels Fotos nachweisen, dass er die Montagen auf so engem Raum in Fußbodenhöhe und etwas darüber vornehmen musste, dass die Belastung für die Knie deutlich höher war als bei sonstigen Montagetätigkeiten.

Da er diese extrem schädliche Haltung auch über lange Arbeitsjahre hinweg eingenommen hatte, hat die Berufsgenossenschaft schließlich die Voraussetzungen einer Berufskrankheit als erfüllt angesehen.

Ähnliches geschah bei einem Beschäftigten in der Chemieindustrie. Hier war zunächst bezüglich eines schädlichen Kontaktes mit Schadstoffen in der Vergangenheit ermittelt worden. Dabei war die Berufsgenossenschaft davon ausgegangen, dass die Sicherheitsvorschriften damals eingehalten worden sind.

Auch hier konnte aber durch mehrere Personen bestätigt werden, dass viel mehr Kontakt mit den schädlichen Stoffen stattgefunden hatte. Die Voraussetzungen wurden danach als erfüllt angesehen.

Zusammenhang zwischen Tätigkeit und Schädigung
Weiterhin muss der medizinische Sachverhalt aufgeklärt werden. Die Verletzung muss durch den Unfall entstanden sein, bzw. die Erkrankung zur entsprechenden Berufskrankheit passen. Wenn jemand langjährig kniebelastend gearbeitet hat, aber nicht an einer Knieerkrankung leidet, sondern "Rücken" hat, dann hilft das nicht weiter.

Die Berufsgenossenschaft holt regelmäßig medizinische Gutachten ein, die dann noch einem beratenden Arzt vorgelegt werden, ob er dem Gutachten zustimmt.

Wenn alles gut läuft und eine sogenannte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von wenigstens 20 % festgestellt wird, erhält der Betroffene einen Rentenbescheid. Die Höhe der tatsächlichen Zahlung wird nach einer Formel berechnet, wobei der bisherige Verdienst und die Höhe der MdE eine Rolle spielen.

Werden die arbeitstechnischen Voraussetzungen verneint, oder die MdE von 20 % nicht erreicht, oder der Zusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit und der Verletzung verneint, lehnt die Berufsgenossenschaft eine Rentenzahlung ab. Gegen diese Entscheidung kann innerhalb eines Monats Widerspruch eingelegt werden.

Lohnt sich der Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid?
Richtig ist, dass es sich oft um einen Kampf gegen Windmühlen handelt. Dann wird nach langem Kampf die erste Hürde genommen, dann aber liegt die nächste Voraussetzung angeblich nicht vor.

Auch unsere Fachleute vom DGB-Rechtsschutz können einer Akte nicht von außen ansehen, ob Erfolgsaussichten bestehen. Durch die viele Erfahrungen mit solchen Rechtsstreiten wissen wir aber, an welchen Punkten wir Einfluss nehmen können und prüfen die Akte daher auf diese Punkte.

Wenn letztlich eine Verletztenrente erreicht wird, ist das von hohem finanziellem Interesse. Die Laufzeit des Verfahrens wirkt sich im Erfolgsfall nicht negativ aus. Wenn rückwirkend die Rente gewährt wird, winkt eine fette Nachzahlung.

Geld ist gut angelegt
In Zeiten, in denen Banken keine Guthabenzinsen mehr zahlen, ist das Geld bei der Berufsgenossenschaft gut angelegt. Denn Geldansprüche sind ab sechs Monaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrags bei der Behörde mit 4 Prozent zu verzinsen.

Dass es sich dabei nicht um Kleinbeträge handelte, beweist ein frisch eingegangener Verzinsungsbescheid: Durch die Verfahrenslaufzeit und eine recht große Schädigung des Betroffenen betrug allein die Verzinsung der Nachzahlung über 2000 Euro.

Tipp
Die Verzinsungsvorschrift gilt nicht nur gegenüber der Berufsgenossenschaft, sondern auch bei Nachzahlungen von Rentenversicherungen, Krankenkassen und Arbeitsämtern. Gerade die letztgenannten müssen ausdrücklich zur Zinszahlung aufgefordert werden.

Fazit
Auch wenn die Berufsgenossenschaft sich oft qualifizierter Gutachter bedient, gelingt es doch in einer Reihe von Fällen, positive Ergebnisse zu erzielen. Dafür muss man einen langen Atem haben und hat bei unseren Rechtsstellen Partner an seiner Seite, die darauf eingestellt sind.



Autorin: Birgit Hartmann, Rechtsschutzsekretärin, Düren

Letzte Änderung: 24.05.2017