Neckartenzlingen: Angst um Arbeitsplätze

19.07.2006 Bei den Nachfolgeunternehmen der früheren Fa. Hirschmann in Neckartenzlingen sollen erneut Arbeitsplätze vernichtet werden.

Seit mehr als 10 Jahren wird Personal bei Hirschmann abgebaut. Von ehemals über 3.000 Beschäftigten gibt es heute am Standort nur noch etwas über 1.000 Beschäftigte - die aber auf 5 verschiedene Betriebe verteilt.

Und es geht weiter. 37 Entlassungen zum Jahresende. Weitere 60 - 70 noch für 2006 angekündigt und darüber hinaus wird geprüft, ob Teile der Produktion nicht aufgegeben werden sollen oder ins billige Ausland gehen.

Die Geschichte von Hirschmann aus der Sicht eines langjährigen Mitarbeiters schilderte Robert Koch, Betriebrat bei Hirschmann Car Communication, auf einer von 2 Betriebsversammlungen am 12. Juli 2006, zu der die Beschäftigten demonstrierten - siehe hierzu auch die Fotos.

Ein paar persönliche Worte von Robert Koch

Im März 1968 trat ich in die Firma Richard Hirschmann, Radiotechnisches Werk als Werkzeugmacherlehrling ein. Damals galt eine Stelle als Azubi bei der Firma Hirschmann noch als was Besonderes.
Ich bestand die Prüfung und wurde sofort unbefristet übernommen. Ich durfte auch noch den Senior-Chef kennen lernen: Streng, aber fair.
Damals wurde von vielen der schwäbische Spruch geprägt: Unserer Firma läuft der Rotz vierspurig hinauf.

In den deutschen Werken waren ca. 3500 Personen beschäftigt.
Allein in Esslingen und Neckartenzlingen waren wir ca. 3.000.

Es kam, was die meisten wissen: Der Sohn Richard Günter hat die falscher Leute als Manager eingestellt.
Es kam der Sanierer Jaskulke. Wir durften auf alles Übertarifliche verzichten mit dem Versprechen, dass dann die Firma so überlebt.
Anschließend wurden 150 Personen entlassen.
Dann wurde aus Neckartenzlingen und Esslingen eine Firma gemacht.
1500 Mitarbeiter waren wir danach noch.

Wir kamen zu Rheinmetall, einige wissen es noch, Herr Eberhard.
Man muss noch einmal abspecken, dann sind wir konkurrenzfähig.
Wieder Kündigungen, wieder die Arbeiter zurechtgestutzt.
Der Betriebsrat wurde, wie ich im nachhinein feststellen muss, jedes Mal übers Ohr gehauen.

Nachdem uns dann ein Finanzinvestor aufgekauft hatte, zuvor wurde die Grundfertigung so richtig aufgemischt und ca. 2/3 der Mitarbeiter gekündigt, war tatsächlich die Meinung da, uns ginge es jetzt besser.

Aber sehr schnell kam die Wende. Aufteilen war jetzt die Devise. Teile und Herrsche.

Eigenständige Betriebe wurden gegründet: HME; HAC und HCC:
Jeder Betrieb mit mindestens drei Geschäftsführer. HME ist mittlerweile an Triax weiterverkauft.

In den letzten Tagen kam die Entscheidung, die Kabelfertigung ganz einzustellen. Wir machen dort Minus von mehreren Hunderttausend Euro im Monat.
Der ehemalige Geschäftsführer, Herr Besetz, hatte die Omegas (Fertigungsmaschinen) noch als Gelddruckmaschinen vorgestellt.
Ich habe in meiner Laufbahn als Mitarbeiter zuerst als Vertrauensmann und dann als Betriebsrat sehr viele Geschäftsführer und Personalchefs kennen gelernt. Ich kann leider bisher von keinem sagen, dass sie ihre Arbeit zur Zufriedenheit der Belegschaft gemacht haben.
Wir, die Belegschaft, hat bisher immer bluten müssen, das heißt, von uns mussten unter jedem Geschäftsführer einige ins Gras beißen.

Wir gesagt, ich bin seit 1968 in der Firma. Meine Frau arbeitet ebenfalls hier. Meine Tochter arbeitet bei der Firma microlog (Dienstleister am Standort Neckartenzlingen). Meine ältere Tochter war schon viermal als Ferienarbeiterin hier.

Die Firma Hirschmann ist für mich mehr als nur Arbeitgeber. Meine ganze Familie lebt und leidet mit dem Unternehmen.
So wie mir geht es bestimmt noch einigen wenigen übrig gebliebenen.
Dieses Herzblut vermisse ich bei den heutigen Managern, denen es nur noch um Umsatz und Rendite geht.
Natürlich muss jedes Unternehmen auf Ertrag achten, so dass das Überleben gesichert ist. Aber es muss meiner Meinung nach nicht nur um Profit gehen.
Wir müssen auf die sogenannten Heuschrecken Acht geben.

Die, die mich kennen, wissen, dass ich nicht in dem Ruf stehe, eine rote Socke zu sein. Ich rufe Euch dennoch auf, liebe Kolleginnen und Kollegen, ob nicht eine Mitgliedschaft in der IGM lohnenswerter ist, um uns gegen die Jobvernichter zu wehren als uns eben alles wie bisher gefallen zu lassen.

Ich habe mich für das Kämpfen entschieden. Die Firma Hirschmann hat mehr Herzblut von mir in sich, als irgendein für ein paar Jahre bestellter Manager überhaupt hervorbringen kann.

Soweit meine persönliche Meinung.

Danke.
Robert Koch

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Letzte Änderung: 21.11.2007