Mach meinen Kumpel nicht an!

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08.06.2017 Die IG Metall als "Integrationsmotor" - Teilhabe und Partizipation von Migranten in der Gewerkschaft

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Interview mit Christiane Benner, Zweite Vorsitzende der IG Metall

Die IG Metall hat im letzten Jahr eine Befragung durchgeführt, um den Anteil ihrer Mitglieder mit Migrationshintergrund zu ermitteln. Die Studie wurde vom Berliner Institut für empirische Integrations- und Migrationsforschung (BIM) der Humboldt-Universität zu Berlin (HU) durchgeführt.

Was sind aus Deiner Sicht die Kernergebnisse eurer Befragung?

Ganz klar: Die IG Metall ist die Heimat aller Beschäftigten. Hier sind die Ergebnisse ziemlich deutlich. 21,7 Prozent der IG Metall Mitglieder haben einen Migrationshintergrund. Damit repräsentieren wir den Querschnitt der Gesellschaft und der Branchen, in denen die IG Metall vertreten ist.

Welche Schlussfolgerungen ziehst Du daraus?

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Die IG Metall gewinnt erfolgreich Beschäftigte in den Betrieben, unabhängig von ihrer Herkunft. Die gemeinsamen Interessen und Ziele überwiegen die Unterschiede. Das stimmt mich positiv. Die Ergebnisse stärken uns in der alltäglichen Arbeit. Und: Die IG Metall ist die größte politische Organisation in Deutschland, in der Menschen mit Migrationshintergrund ihre Interessen vertreten und sich einbringen können.

Wie sieht es bei den Funktionären aus?

Die vorherrschende Meinung war bis jetzt: In Industriegewerkschaften gibt es viele Menschen mit Migrationshintergrund, aber bei den Funktionären werde die Luft dünner. Jetzt haben wir es schwarz auf weiß, das stimmt nicht. Über 30 Prozent unserer Betriebsräte haben einen Migrationshintergrund. Auch bei den Vorsitzenden und Stellvertretern sieht es gut aus. Wenn wir uns die ehrenamtlichen Funktionäre anschauen, zeigt sich ein durchweg positives Bild. 37 Prozent der Vertrauensleute haben einen Migrationshintergrund. Insgesamt engagieren sie sich alle stark für eine faire Arbeitswelt.

Wie erklärst Du Dir diesen hohen Wert?

Wenn es um die Verbesserung der Arbeitsbedingungen und ein gerechtes Entgelt geht, dann wird in erster Linie nicht nach der Herkunft gefragt. Im Alltag stehen die Kolleginnen und Kollegen dann zusammen. Schon seit den 70er Jahren können alle Beschäftigten - unabhängig von ihrer Staatsbürgerschaft - an den Betriebsratswahlen teilnehmen und für alle Ämter kandidieren. Diese historische Errungenschaft ist vielen außerhalb der Gewerkschaften nicht bekannt. Auch die IG Metall hat diesen Gedanken der Gleichstellung verinnerlicht, bis hin zu ihrer Satzung. Von Anfang an ist klar: du bist Mitglied, du hast Rechte und wir möchten, dass du dich einbringst. In diesem Kontext spielt die Bildungsarbeit eine wichtige Rolle: Dort stärken wir unsere Mitglieder, geben ihnen Rüstzeug mit und bereiten sie dadurch für entsprechende Funktionen vor.

Was bedeutet das Ergebnis der Befragung für die Organisation - Gerade im Hinblick auf die jüngeren Generationen? Wie kann die IG Metall diese "junge Vielfalt" zukünftig als Ressource stärker einbinden?

Die Ergebnisse der Befragung sind aus meiner Sicht ein Handlungsauftrag für die IG Metall. Aufgrund der demografischen und technologischen Entwicklungen werden sich die Belegschaften verändern. Es werden mehr Frauen, mehr Menschen mit akademischer Ausbildung und mehr Menschen mit Migrationshintergrund beschäftigt sein. Deshalb legt die IG Metall in ihren Aus- und Weiterbildungsangeboten für Haupt- und Ehrenamtliche einen Schwerpunkt auf die Weiterentwicklung von Vielfalts- und Beteiligungskompetenz, um die interkulturelle Öffnung weiterzuentwickeln. Die Ergebnisse der Befragung ermöglichen uns jetzt, noch bessere Angebote zu schaffen, um auch die jungen Beschäftigten anzusprechen. 2018 sind Betriebsratswahlen. Immer wenn ich mit jungen Kolleginnen und Kollegen spreche, versuche ich, diese zu ermutigen: Bringt euch ein, macht mit! Eure IG Metall unterstützt euch!

Fast 15 % der Kolleginnen und Kollegen mit Migrationshintergrund haben angegeben, aufgrund ihrer Herkunft, Hautfarbe oder Religion diskriminiert worden zu sein. Wie kann die IG Metall - gerade in diesen polarisierten, aufgeheizten Zeiten - das Engagement gegen Diskriminierung und Rassismus in Betrieb und Gesellschaft weiter stärken?

Zunächst mal ist das ein relativ geringer Wert. Er zeigt: Die Betriebe sind ein gutes Beispiel für ein solidarisches und konstruktives Miteinander auf der Grundlage demokratischer Werte. Gleichzeitig ist natürlich jeder einzelne Fall von Diskriminierung einer zu viel. Und dem müssen Betriebsräte auch nachgehen. Wir als IG Metall sagen klar: da wo Rassismus und Diskriminierung stattfindet, muss dies benannt werden und Konsequenzen haben. Zugleich kämpfen IG Metall und Betriebsräte dafür, diskriminierende Strukturen in den Unternehmen abzubauen. Ob bei Neueinstellungen oder auch internen Aufstiegschancen, es gibt eine Diskriminierung und diese wollen wir abschaffen. Ich kenne viele positive Beispiele, bei denen sich Personalabteilungen mit der Frage einer diskriminierungsfreien Arbeitsorganisation beschäftigen. Es ist wichtig, dass wir mit unserer Mitbestimmung gegen Diskriminierung vorgehen können und hier mitgestalten.

Die IG Metall hat also bewiesen, dass das Zusammenleben und -arbeiten in Vielfalt funktionieren kann. Wie kann die IG Metall, können die Gewerkschaften ihre Erfahrung mit Migration für die Integration von Geflüchteten fruchtbar machen?

Was in der Vergangenheit galt und die Befragung zeigt, gilt auch für die Geflüchteten: Teilhabe und Integration sind nur möglich, wenn sich alle Menschen aktiv beteiligen und einbringen können. Ein ganz wichtiger Schritt ist dabei der Einstieg in Ausbildung und Arbeit. Aus diesem Grund hat die IG Metall das Integrationsjahr mit entwickelt und eingefordert, um über die Bundesagentur für Arbeit Geflüchtete in die Betriebe zu holen. Jetzt müssen wir die Möglichkeiten nutzen. Die Umsetzung läuft aus vielen Gründen bis lang zu schleppend. Uns muss klar sein, egal ob gestern, heute oder auch morgen: Arbeit ermöglicht Teilhabe und Emanzipation.

Letzte Änderung: 02.06.2017