Helmut Hartmann

Tarifrunde 2002 - Helmut redet als 1. Bevollmächtigter zu den Streikenden beim Index

24.03.2016 Maschinenschlosser, Maschinenbautechniker, politischer Mensch. Jahrgang 1942.

Helmut, du bist seit 1961 Mitglied in der IG Metall. Warum bist du Gewerkschaftsmitglied geworden? Wie war das damals?

Als Lehrling bei Waldrich Siegen (Konkurrenz von HELLER) war es normal, in die IG Metall einzutreten. Während der Ausbildung habe ich für meinen Meister die IG Metall Beitragsmarken verkauft, während andere Azubis Vesper holen mussten. Eingetreten bin ich bereits 1956, hatte aber eine Lücke von 5 Jahren (Ausland und Technikerschule), die später das Eintrittsdatum verschoben haben.

Streiktag 15. Mai 2002 vorm Index

In den vielen Jahren warst du immer gewerkschaftlich aktiv - im Betrieb und die Jahre vor deinem Renteneintritt als 1. Bevollmächtigter der IG Metall Esslingen. Lag dir eine deiner Funktionen ganz besonders am Herzen?

Als Gewerkschafter aktiv geworden bin ich 1969 bei CROSS in Wendlingen, nachdem wir auf Initiative von Lothar Zimmermann und Albert Trettin dort den ersten Betriebsrat gebildet hatten.

Toll war der Wettbewerb in den 70er Jahren zwischen Stumpp + Schüle, Delmag und CROSS, wer beim Organisationsgrad wie viel über 80 % lag. Prägend war auch die jahrzehntelange Funktion als DGBler in Nürtingen und die 20 Jahre in der Regionalversammlung Region Stuttgart.

Ich war und bin immer der Auffassung, dass Gewerkschafter sich auch außerhalb des Betriebs einbringen und beteiligen sollten.

Was war denn bisher dein persönliches gewerkschaftliches Highlight?

Höhepunkte gab es viele, aber auch bittere Momente. Dass mich die Esslinger Delegierten zum 1. Bevollmächtigten wählten, war schon was Außergewöhnliches. Bitter war das Aus von Giddings + Lewis (CROSS) in Wendlingen, weil es eine rein strategische Konzernentscheidung war, die leider von Walter Riester im Aufsichtsrat von Thyssen mitgetragen wurde. Das Engagement von Thyssen im Maschinenbau ist dann aber gründlich schief gegangen.

Helmut (rechts) bei der Aktion vor der LBBW in Stuttgart - 2009

Welche Themen sollte die IG Metall deiner Meinung nach künftig angehen?

Gewerkschaften sollten sich deutlich mehr auch außerhalb des Betriebes für die Interessen der Arbeitnehmer einsetzen. Die Sozialpolitik wurde in früheren Jahren oft von Gewerkschaftern mit geprägt, dies fehlt heute. Zweitens gibt es künftig ein ganz großes Problem bei der Rentenhöhe. Es ist leider Vielen nicht bekannt, dass bei zukünftigen Rentnern die Nettorente weniger wie 50% des letzten Normal-Netto Lohnes beträgt. D.h. wer 2000 Euro Nettolohn hat, muss von einem Tag auf den anderen mit weniger als 1000 Euro im Monat auskommen; dies muss geändert werden.

Helmut, im Moment engagierst du dich für Flüchtlinge. Was machst du und wie ist es dazu gekommen?

Da ich mich nicht für Bundeswehr und schießen lernen entschieden habe, war ich Anfangs der 60er Jahre zwei Jahre in der Schweiz als einfacher Arbeiter. Die Schweizer haben uns Ausländer ganz schön mies behandelt; dies hat bei mir etwas ausgelöst, mit Fremden/Ausländern fair umzugehen. Jetzt den Flüchtlingen bei der Integration zu helfen ist für mich etwas Selbstverständliches. Gewerkschafter dürfen nicht passiv zuschauen, wenn Nationalismus wieder aufkommt. Bei der Integration von anerkannten Flüchtlingen bin ich überrascht vom Ausmaß der allumfassenden deutschen Bürokratie, die viele gute Ansätze erschwert.

Helmut (rechts) bei der 1. Mai-Kundgebung in Nürtingen 2015

Selbstverständlich interessiert uns, ob du ein Hobby hast?

Als Hobby habe ich seit dem Eintritt in die Rente einen Hund - "Cäsar" einen Schäferhund-Hasky-Mischling und einen großen Gemüsegarten in der Nähe von Reudern. Mein tägliches Frische-Luft-Kontingent ist damit gesichert.

Und wenn du nicht an der frischen Luft bist, nimmst du sicher auch gern ein Buch in die Hand.

Ich bin immer an politischen Biographien interessiert. Alle Bücher von und über Helmut Schmid haben mich stark beeindruckt; dies gilt ebenso zu Willi Brandt.

Lieber Helmut, was wolltest du schon immer mal sagen"

Den Ruf nach mehr direkter Bürgerbeteiligung tue ich nicht unterstützen, da dabei meist Einzelinteressen hinter stehen. Oft wird dabei versucht Rosinen heraus zu picken. Mitmachen und sich einbringen JA - unbedingt auch Gewerkschafter - aber bitte in den Gremien / Parlamenten, wo man gute und nicht so gute Entscheidungen mit verantworten muss.

Lieber Helmut, herzlichen Dank für deine Antworten und wir wünschen dir alles Gute und viel Erfolg in deinem Engagement in der Flüchtlingsbetreuung.


Die Fragen stellte Heike Diesing.

Letzte Änderung: 24.03.2016