Ferzi, du bist seit 1984 Mitglied in der IG Metall. Wie war das damals? Warum bist du Gewerkschaftsmitglied geworden?

Da ich selbst aus einer Arbeiterfamilie stamme, habe ich schon in jungem Alter Klassenbewusstsein entwickelt. Die Arbeiterbewegung, die in der Türkei Ende der 70er Jahre auf tragische Weise beendet worden war, traf mich tief im Herzen. Als junger Arbeitnehmer suchte ich mir 1984 bei Metabo selbst den Kontakt zur Gewerkschaft, um Mitglied zu werden und bin jetzt 31 Jahre dabei.

Du setzt dich für die Interessen deiner Kolleginnen und Kollegen ein. Welches sind deine derzeitigen Funktionen?

Langjähriger Vertrauensmann, Betriebsrat, Schwerbehindertenstellvertreter, Mitglied in der Delegiertenversammlung und des Erweiterten Ortsvorstandes sowie Vorsitzender des Migrationsausschusses.

Liegt dir eine deiner Funktionen ganz besonders am Herzen?

Für mich stehen die Menschen im Vordergrund. Als Betriebsrat kann ich meinen Kolleginnen und Kollegen bei vielen Schwierigkeiten helfen und das freut mich.

Welches war dein persönliches gewerkschaftliches Highlight?

Das war die große Kundgebung auf dem Schillerplatz in Nürtingen (Januar 2006); in mehreren Demonstrationszügen zogen Kolleginnen und Kollegen von Metabo, Heller und Hydraulik-Ring gemeinsam mit dem Motto "Gebt uns Jungen eine Chance! Entlasst Stunden statt Menschen!" für den Erhalt der Arbeits- und Ausbildungsplätze in die Innenstadt und blockierten den Ring.

Welche Themen sollte die IG Metall deiner Meinung nach künftig angehen?

Ein Tarifvertrag für mehr Rechte der Vertrauensleute in ihren Betrieben und mehr tarifvertragliche Bestandteile in den Tarifverträgen, die nur für IGM-Mitglieder gelten.

Ferzi, du bist im Alter von 16 Jahren aus der Türkei nach Deutschland gekommen. Wie wurdest du damals aufgenommen? Was war außer der Sprachbarriere besonders schwierig?

Ich fühlte mich allgemein nicht aufgenommen, so dass ich nur eine einzige gute Erinnerung habe: Und zwar an einen Lehrer namens Wolfgang Herder. Er war der einzige Einheimische, der mich nicht als einen "Gastarbeiter" sondern als einen "Menschen" angesehen hat.

Stellst du im Berufsleben oder im privaten Bereich eine Veränderung durch die Pegida-Bewegung fest?

Dass dieses "Gedankengut" die Mittelschicht schon längst erreicht hat, ist mir schon lange bekannt! Dass sie jetzt als Rattenfänger mit einfachen Parolen die Massen auf die Straße bringen, macht mich unruhig und ich spüre es intensiv.

Der 1. Mai - Emek ve Dayanisma Günü - steht vor der Tür. Treffen wir dich auf einer der DGB-Kundgebungen im Landkreis Esslingen?

Ja, ich werde in Esslingen und auf jeden Fall in Kirchheim/Teck sein.

Natürlich interessiert uns auch, wie du deine Freizeit verbringst, ob du Hobbys hast.

Ich werde mir erst welche suchen, wenn ich in die Rente gehe.

Verrätst du uns dein Lebensmotto?

Alleine gibt es keine Befreiung. Entweder wir alle oder keiner!

Gibt es etwas, was du immer schon mal sagen wolltest?

Nichts wurde uns geschenkt. Was wir bekommen haben, musste lange von uns erkämpft werden. Also gebt das nicht wieder einfach her! Kommt und nehmt teil am 1. Mai! Yasasin Halklarin Kardesligi!

Lieber Ferzi, herzlichen Dank für deine interessanten Antworten!

---

Die Fragen stellten Monica Wüllner und Heike Diesing