Während der Arbeitszeit zum Arzt?

Recht, Tipps und Hinweise

02.11.2017 Auch wenn es fast jeder macht: Während der Arbeitszeit zum Arzt gehen ist eigentlich nur in Ausnahmen erlaubt. Jedenfalls nach dem Gesetz.

Wann darf ich das? Und kann mir in dieser Zeit das Entgelt gekürzt werden?

Arzttermine gelten als Privatsache. Darum sollen Beschäftigte nicht während der Arbeitszeit zum Arzt gehen. So steht es im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB). Aber Ausnahmen bestätigen die Regel: Wenn ein Arbeitnehmer zum Beispiel während der Arbeit akut krank wird, kann er zum Arzt gehen. Das Gleiche gilt, wenn der Arzt keine anderen Termine mehr frei hat oder alle Sprechstunden in die Arbeitszeit fallen. Oder bei speziellen Untersuchungen, die nur zu bestimmten Zeiten angeboten werden, etwa Blutentnahme in nüchternem Zustand, Röntgen oder Computertomografie. Das hat das Bundesarbeitsgericht schon 1984 entschieden (Aktenzeichen: 5 AZR 455/81).

In diesen Fällen muss der Chef Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht nur freistellen. Er muss ihnen auch das Entgelt weiterzahlen. Ein Vorgesetzter darf nicht verlangen, dass Beschäftigte dann den Arzt wechseln; denn dann würde er ihr Recht auf freie Arztwahl einschränken. Und das darf er nicht.

Teilzeitbeschäftigte haben es schwerer

Für Teilzeitbeschäftigte ist es schwieriger zu begründen, warum sie während der Arbeitszeit zum Arzt gehen müssen. Bei ihnen wird unterstellt, dass sie das - außer in ganz dringenden Fällen - außerhalb der Arbeitszeit tun können. Sie haben sonst zumindest keinen Anspruch auf Lohnfortzahlung. Unter Umständen müssen sie die ausgefallene Arbeit auch nachholen.

Der Gummiparagraf im Gesetz

Wann Beschäftigte ihr Entgelt weiter erhalten, ist im BGB in Paragraf 616 geregelt. Danach haben sie dann Anspruch darauf, wenn sie die Arbeitsunterbrechung nicht selbst "zu vertreten" haben, also in den Fällen wie den oben beschriebenen. Und wenn sie die Arbeit nur verhältnismäßig kurz unterbrechen - im Juristendeutsch: nur eine "verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit". Weil diese Aussagen sehr allgemein formuliert und interpretationsfähig sind, haben sie immer wieder Streit aufkommen lassen, wann der Paragraf 616 gilt. Viele Tarifvertragsparteien haben das darum in Tarifverträgen genauer definiert. Aber auch Arbeitsverträge oder Betriebsvereinbarungen enthalten oft präzisere Regelungen.

Mehr Klarheit per Tarif

Die Manteltarifverträge der Metall- und Elektroindustrie vieler IG Metall-Bezirke enthalten zum Beispiel unter der Überschrift "Arbeitsversäumnis - Arbeitsverhinderung" eine eigene Regelung. Danach muss eine kurzzeitige Abwesenheit bezahlt werden, wenn ein Arzt nur während der Arbeitszeit aufgesucht werden kann.

Stress vermeiden - Chef informieren

Die Grundsätze, die das Bürgerliche Gesetzbuch festschreibt, bleiben aber zu beachten. Der Beschäftigte muss sich bemühen, den Arztbesuch außerhalb der Arbeitszeit zu legen. Ist das nicht möglich oder treten während der Arbeitszeit Beschwerden auf, muss der Arztbesuch medizinisch notwendig gewesen sein. Das kann auch dann der Fall sein, wenn der Arzt den Beschäftigten nicht für arbeitsunfähig erklärt. Die Notwendigkeit der Untersuchung oder Behandlung muss der Arzt dann aber trotzdem bescheinigen. Auf jeden Fall sollten Beschäftigte, um Ärger im Betrieb zu vermeiden, ihren Chef informieren, bevor sie Richtung Arztpraxis entschwinden.

Denn wer zum Arzt geht, auch wenn er das auch in seiner Freizeit tun könnte, begeht eine Pflichtverletzung und verstößt gegen den Arbeitsvertrag. Schon bei einem einmaligen Fall könnte er abgemahnt werden. Schlimmstenfalls droht eine verhaltensbedingte Kündigung.

Ausnahmen für Jugendliche und Schwangere

Minderjährige Beschäftigte und Azubis, die zur gesetzlich vorgeschriebenen Nachuntersuchung müssen, muss der Arbeitgeber bezahlt freistellen. Das steht im Jugendarbeitsschutzgesetz. Gleiches gilt bei Schwangerschaft oder Mutterschaft. Das Mutterschutzgesetz sieht vor, dass der Arbeitgeber Frauen für Untersuchungen, die zu den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung gehören, bezahlt freistellen muss.

Gleitzeiter haben schlechte Karten

Schwieriger ist es bei betrieblichen Gleitzeitvereinbarungen. Enthalten sie keine speziellen Regelungen, sollten sich Beschäftigte bemühen, Termine außerhalb der Kernarbeitszeit zu legen. Zwei Gerichte haben schon entschieden, dass Betroffene in solchen Fällen keinen Anspruch auf Vergütung haben. Diagnostiziert der Arzt allerdings eine Krankheit, muss der Arbeitgeber auch die Zeit des Untersuchungstermins bezahlen.

Info: IG Metall-Mitglieder werden vor den Arbeits- und Sozialgerichten bei Bedarf kostenlos von Juristinnen und Juristen der DGB Rechtsschutz GmbH vertreten. Erste Anlaufstelle bei Problemen ist die IG Metall vor Ort.

Letzte Änderung: 27.10.2017