125 Jahre IG Metall Esslingen

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20.06.2016 125 Jahre Einsatz für gute Arbeit

Maschinenfabrik Esslingen

Die Gründung

In der ersten Juniwoche 1891 schlossen sich Metallarbeiter zusammen und gründeten die erste branchen- und berufsübergreifende Industriegewerkschaft: den Deutschen Metallarbeiter-Verband (DMV). Bereits wenige Tage später, am 20. Juni 1891, wurde im "Löwen" in Esslingen eine Versammlung abgehalten, um den DMV Esslingen zu gründen. 92 Mitglieder zählte die Vorgänger-Organisation der IG Metall damals, bis ins Jahr 1910 wuchs sie bereits auf 3672 Mitglieder an.

Geprägt waren die Anfangsjahre durch Auseinandersetzungen mit der Bijouteriefabrik Huttenlocher, wo es darum ging, die Umstellung von Taglohn auf Akkord zu verhindern, einen 10-Stunden-Tag einzuführen und einen Überstundezuschlag zu erhalten, einem Streik in der Schmiede bei der Firma Dick und einem Streik bei der Firma Fritz Müller. Bis zum Jahr 1905 gab es in Württemberg vier Aussperrungen, in den folgenden Jahren - bis 1913 - insgesamt 75. Es folgten Jahre mit harten Auseinandersetzungen zwischen dem DMV und dem Verband der Metallindustriellen Württembergs.

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Der Erste Weltkrieg und seine Folgen

Am Ende des Ersten Weltkriegs kam es im November 1918 zur Revolution: Ausgehend vom Kieler Matrosenaufstand wurden in ganz Deutschland Arbeiter- und Soldatenräte gegründet. Sie forderten einen sofortigen Waffenstillstand, eine bessere Lebensmittelversorgung und häufig auch den 8-Stunden-Tag. Durch den Druck der Massen wurde am 9. November 1918 die Republik ausgerufen und der 8-Stunden-Tag für alle, an sechs Tagen in der Woche, eingeführt. Bei der 48-Stunden-Woche blieb es für die nächsten Jahrzehnte.

1919 kam es in Esslingen zu einem Generalstreik, zu dem die Spartakisten aufgerufen hatten. Obwohl die Gewerkschaften nicht für diesen Streik waren, schlossen sich die meisten Arbeiter an. Im Rahmen des Streiks kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen Demonstranten und Soldaten, die zu vielen Verletzten und sogar einigen Toten führte.

Als Reaktion auf den Kapp-Putsch am 13. März 1920, der zum Ziel hatte, die nach der Novemberrevolution geschaffene Weimarer Republik wieder abzuschaffen, kam es zum größten Generalstreik in der deutschen Geschichte. Dieser Generalstreik erfasste am 14. März bereits vollständig Berlin und breitete sich am Tag darauf über die ganze Republik aus. Auch in Esslingen wurde gestreikt - in allen Betrieben. Der Kapp-Putsch scheiterte, einen großen Anteil am Misslingen hatte zweifelsohne der Generalstreik - die Arbeiter/innen hatten die Demokratie gerettet.

Demo Esslinger Frauen

Dunkle Zeiten: Nationalsozialismus

Die wirtschaftlich schwierige Zeit nach dem Ersten Weltkrieg mit hoher Inflation, Kurzarbeit, vielen Betriebsschließungen, Lohn- und Gehaltskürzungen sowie ein Abbau der Sozialleistungen führten letztendlich in die dunkelste Zeit der deutschen Geschichte. Im "roten" Esslingen fanden zwar noch 1932 Kundgebungen gegen den Faschismus statt, aber die Linke hatte zu wenig Zusammenhalt, um eine geschlossene Gegenfront zu bilden. Was dann geschah, ist bekannt: 1933 übernahmen die Nationalsozialisten die Macht, auch über Esslingen wehte nun eine Hakenkreuzfahne. Gewerkschaften wurden verboten, in den Betrieben wurden Zwangsarbeiter eingesetzt (1944 über fünf Millionen in Deutschland).

Auch im Kreis Esslingen gab es viele Zwangsarbeiterlager, so in Plochingen, Reichenbach, Wernau, Kirchheim/Teck, Nabern, Beuren, Bempflingen, Köngen, Neckartenzlingen, Nürtingen, Echterdingen, Denkendorf, Kemnat und Esslingen. In Schlattstall und Echterdingen gab es sogar Außenstellen des Konzentrationslagers Natzweiler (Elsaß). Von 1939 bis 1945 tobte der Zweite Weltkrieg mit weltweit über 65 Millionen Opfern.

Die Nachkriegsjahre

Nach dem Zweiten Weltkrieg standen die Menschen vor Trümmern und Elend. Dennoch schlossen sich schnell Menschen zusammen, um das Land wieder aufzubauen. Bereits im August 1945 wurden unter den alliierten Militärregierungen wieder Ausschüsse zur Bildung von Betriebsräten gegründet, in Esslingen wurde Gustav Schwab Erster Bevollmächtigter der Verwaltungsstelle. Wie schon vor dem Krieg bildeten sich neben Esslingen auch in Kirchheim/Teck und Nürtingen selbstständige Verwaltungsstellen. Im August 1946 fand in Stuttgart-Untertürkheim der erste Verbandstag des Industrieverbandes Metall Württemberg-Baden statt.

Nachdem am 8. Mai 1949 das Grundgesetz verabschiedet wurde und am 14. August desselben Jahres die Wahl zum ersten deutschen Bundestag stattfand, war die Konstituierung der Bundesrepublik Deutschland abgeschlossen. Nun konnte auch der DGB am 13. Oktober 1949 in München von 16 Branchengewerkschaften gegründet werden. Der Gründungskongress, auch Parlament der Arbeit genannt, wählte den 74-Jährigen Hans Böckler zum ersten DGB-Vorsitzenden. Das Prinzip der Einheitsgewerkschaft war nun programmatischer Grundsatz der DGB-Gewerkschaften. Politische Richtungsgewerkschaften, wie sie in der Weimarer Republik bestanden, sollten von vornherein ausgeklammert werden. Im DGB sollten künftig alle abhängig Beschäftigten vertreten sein können, gleich welche politische Weltanschauung sie vertraten, welchen Beruf sie ausübten und unabhängig davon, ob sie Arbeiter, Angestellte oder Beamte waren. Die Aufgabenteilung zwischen dem DGB und den Einzelgewerkschaften sah die völlige Wahrung der Autonomie der Einzelgewerkschaften vor.

Nach dem Streit um den Anteil der Arbeitnehmer in Aufsichtsräten im Jahr 1950, bei dem die paritätische Mitbestimmung in der Stahl- und Eisenindustrie sowie im Kohlebergbau als großer Erfolg der Arbeitnehmer verbucht werden konnte, kam es in den Jahren 1951/52 zu heftigen Auseinandersetzungen um das Betriebsverfassungsgesetz. Mitte Mai 1952 begannen die Gewerkschaften damit, die Mitglieder zu mobilisieren, nachdem die Vorlage hierzu sehr arbeitgeberfreundlich war. Mit Großkundgebungen in mehreren Städten und unzähligen Warnstreiks im ganzen Bundesgebiet forderten die Arbeitnehmer ein Betriebsverfassungsgesetz, das ihren Interessen entsprach. Jedoch war die damalige Bundesregierung unter Konrad Adenauer nicht kompromissbereit, das Betriebsverfassungsgesetz wurde am 4. Juni 1952 lediglich mit kleinen Korrekturen verabschiedet.

In den 50er-Jahren begann das berühmte Wirtschaftswunder. Die Gewerkschaften konnten reale Einkommenserhöhungen durchsetzen, sodass der Lebensstandard allmählich stieg. Dazu gehörten auch die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, der freie Samstag, mehr Urlaub und das zusätzliche Urlaubsgeld. Dafür waren jedoch nicht wenige Arbeitskämpfe zu Beginn der 50er-Jahre notwendig. 1956 setzt die IG Metall die Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit auf 45 Stunden und 1960 dann die stufenweise Einführung der 40-Stunden-Woche durch.

Am 1. Oktober 1956 wurden die Verwaltungsstellen Kirchheim/Teck und Nürtingen zusammengelegt. Viele neue Betriebe wurden gegründet. Damit stieg auch die Zahl der IG Metall-Mitglieder kontinuierlich an. Im Jahr 1961 legte man, wie schon vor dem Krieg, Esslingen und Nürtingen als Verwaltungsstelle zusammen. Erster Bevollmächtigter wurde Lothar Zimmermann.

Der erste große Streik in der ME-Industrie nach dem Krieg fand vom 29. April bis zum 11. Mai 1963 statt. In dessen Folge kam es zu Aussperrungen, die fast 24.000 Metallarbeiter/innen betrafen. Die Arbeitgeber hatten eine Lohn- Und Gehaltserhöhung abgelehnt und wollten eine bereits vereinbarte Verkürzung der Arbeitszeit von 42,5 auf 41,25 Wochenstunden verschieben. An dem Streik nahmen in den Tarifbezirken Nordwürttemberg/Nordbaden und Südwürttemberg/Hohenzollern rund 100.000 Metallarbeiter/innen teil, die Verwaltungsstelle Esslingen beteiligte sich mit sechs großen Kundgebungen. Der Einsatz lohnte sich: neben einer Lohn- und Gehaltserhöhung von 5 Prozent im Jahr 1963 und 2 Prozent ab April 1964 wurde die Arbeitszeit auf 41,25 Wochenstunden verkürzt und es gab mehr Urlaub.

In den 60er- und 70-er Jahren kam es immer wieder zu Auseinandersetzungen mit den Arbeitgebern. So ging es 1967 um den Lohnrahmentarifvertrag I und danach immer wieder um Lohnerhöhungen. 1971 wurde Werner Schäfer zum Ersten Bevollmächtigten der Verwaltungsstelle Esslingen gewählt. Im Jahr 1973 wurde der Lohnrahmentarifvertrag II abgeschlossen, der u.a. einen Kündigungsschutz und eine Verdienstsicherung für ältere Arbeitnehmer enthielt.

Friedensbewegung und Wiedervereinigung

Mit der zentralen Forderung nach einer 35-Stunden-Woche zog die IG Metall in die legendäre Tarifrunde 1983/1984 ein. Die Arbeitgeber lehnten eine Arbeitszeit unter 40 Wochenstunden jedoch ab, stattdessen wollten sie mehr Flexibilität. Während der Warnstreikrunden nahmen fast 15.000 Beschäftigte in 15 Betrieben im Landkreis Esslingen teil, am 14. Mai 1984 kam es schließlich zum flächendeckenden Streik in Nordwürttemberg/Nordbaden, der zu vielen Aussperrungen - auch außerhalb des Tarifgebiets - führte. Die Hartnäckigkeit und Solidarität der Arbeitnehmer/innen zahlte sich schließlich aus: der Einstieg in die 35-Stunden-Woche war geschafft. In einem ersten Schritte wurde die Wochenarbeitszeit auf 38,5 Stunden gesenkt, 1987 erfolgte dann die endgültige Reduzierung auf 35 Stunden. Im selben Jahr wurde Artur Horwedel Erster Bevollmächtigter der Verwaltungsstelle Esslingen.

Streik 1963

In den folgenden Jahren kam es immer wieder zu Auseinandersetzungen und Streiks um höhere Entgelte und die Umsetzung der 35-Stunden-Woche. Durch die Wiedervereinigung kam zudem der Einsatz für gleichwertige Arbeits- und Entgeltbedingungen im Osten dazu. 1992 gab es im Landkreis einen dramatischen Beschäftigungseinbruch, sowohl im Maschinenbau und im Fahrzeugbau als auch in der Elektroindustrie. Die zentralen Forderungen der IG Metall Esslingen lauteten "Beschäftigungspläne statt Sozialpläne" und "Kurzarbeit statt Entlassung". Der Arbeitsplatzabbau in der Metallindustrie setzte sich jedoch fort und führte letztendlich dazu, dass die Mitgliederzahl deutlich sank. Betriebsschließungen waren an der Tagesordnung, als Beispiel seien die Firmen SEL in Wernau und Nokia in Esslingen genannt. In dieser Zeit begann man, nach regionalen Lösungen zu suchen und ging regionale Verbindungen ein. Nach der Gründung des Verbands Region Stuttgart im Jahr 1994 schloss sich auch die IG Metall 1995 zu einer ARGE Region Stuttgart zusammen. Die Verwaltungsstellen blieben jedoch eigenständig.

Die Tarifrunde 1994 wurde von Gesamtmetall mit einem Paukenschlag eröffnet: Die Arbeitgeber wollten den Arbeitnehmern aufgrund der wirtschaftlichen Lage unter dem Strich 10 bis 15 Prozent durch die Streichung des Urlaubgeldes und einer Nullrunde bei der Entgelterhöhung wegnehmen. In Baden-Württemberg beteiligten sich mehr als 500.000 an den darauf folgenden Arbeitsniederlegungen, in Esslingen nahmen im Februar 1994 über 8.000 Teilnehmer an einer Kundgebung auf dem Esslinger Rathausplatz teil. Dank des enormen Einsatzes konnte ein halbwegs akzeptabler Abschluss erzielt werden, der u.a. dazu führte, dass das Urlaubsgeld nicht angetastet wurde.

Im Oktober 1994 übernahm Erhard Pusch das Amt des Ersten Bevollmächtigten von Artur Horwedel, 1995 folgte Helmut Hartmann. Es folgte eine Zeit anhaltender Massenarbeitslosigkeit, der die IG Metall mit dem Vorstoß "Bündnis für Arbeit" entgegnete. Anstatt jedoch konkrete Schritte zum Abbau der Arbeitslosigkeit zu vereinbaren, entschied sich die damalige Bundesregierung für politischen Konflikt und soziale Konfrontation. Eine breite gesellschaftspolitische Kampagne "Für Arbeit und soziale Gerechtigkeit" war die Antwort der Gewerkschaften, die 1998 letztendlich zum Regierungswechsel führte. Auch der Kreis Esslingen war von der wirtschaftlichen Lage massiv betroffen, der Arbeitsplatzabbau und der damit verbundene Mitgliederverlust setzten sich fort. 1998 fusionierte die IG Metall mit der Gewerkschaft Textil-Bekleidung und 2000 mit der Gewerkschaft Holz und Kunststoff.

Das neue Jahrtausend

Die Einführung des Entgeltrahmenabkommens 2005 war ein tarifpolitischer Meilenstein. Mehr als 15 Jahre hatte es gedauert, bis die Idee einheitlicher Entgelte für Arbeiter und Angestellte in einem Tarifvertrag vereinbart werden konnte. Ziel war auch, Facharbeiter deutlich besser zu entlohnen. Der Durchbruch kam im Streik der Tarifrunde 2002, an dem sich auch die IG Metall Esslingen massiv beteiligte. 2005 konnte ERA endlich eingeführt werden. Allerdings nicht ohne Versuch der Arbeitgeber, ERA durch zu niedrige Eingruppierungen und Ausbildungszeitverkürzung als Kostensenkungsmaßnahme zu nutzen. Die IG Metall reagierte auf ihre Weise: die Betriebsräte wurden umfassend geschult, hohe Reklamationsraten waren die Folge. Die betriebliche Auseinandersetzung um ERA hatte begonnen.

Im Sommer 2005 ging der Erste Bevollmächtigte Helmut Hartmann in Rente, sein Amt übergab er an Sieghard Bender. Aufgrund des wirtschaftlichen Aufschwungs war die IG Metall Esslingen in der Lage, viele neue Mitglieder zu gewinnen. In der Folgezeit konnten zahlreiche Standorttarifverträge abgeschlossen und damit eine Menge Arbeits- und Ausbildungsplätze erhalten oder sogar ausgebaut werden. Anfang 2006 demonstrierten 4.000 Metaller auf dem Schillerplatz in Nürtingen für Arbeit und Ausbildung in Nürtingen. Metabo, Heller und Hydraulikring planten Arbeitsplätze abzubauen oder sogar die Betriebsschließung - hiergegen wehrten sich die Beschäftigten. Mit Erfolg!

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Dieser Erfolg führte dazu, dass es in den Folgejahren zu einem weiteren Mitgliederzuwachs kam. Der Tiefschlag kam aus einer anderen Richtung: Die bis Ende 2008 gute wirtschaftliche Lage brach wegen der Insolvenz der Lehmann Brothers Bank in den USA in kürzester Zeit zusammen. In der Folge brachen viele Aufträge ein, in der Tarifrunde musste quasi eine Vollbremsung gemacht werden, nachdem zunächst 8 Prozent gefordert wurden. Die Delegiertenversammlung der IG Metall Esslingen verabschiedete eine Resolution zur Krise mit den Schwerpunkten: "Stunden entlassen statt Menschen", "Regulierung des Finanzsektors", "Ausbau der Kurzarbeit". Bis Frühjahr 2009 wurde die Lage so dramatisch, dass fast alle Betriebe Kurzarbeit angemeldet hatten. Vor allem im Angestelltenbereich wurde der Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung angewendet, d.h., Absenkung der Arbeitszeit um bis zu fünf Stunden ohne Entgeltausgleich. Auszubildende sollten nicht übernommen werden.

Die IG Metall Esslingen reagierte hochprofessionell: das Modell "gegenseitige Arbeitnehmerüberlassung" wurde weiterentwickelt, 27 Betriebe traten bei. Zudem wurde ein Konzept für zwei Jahre Kurzarbeit vorgeschlagen sowie eine Regelung für Ältere - das Modell 60 plus. Das Stipendium-Modell wurde in einigen Betrieben eingeführt. Insgesamt nahmen ca. 200 vor allem Jüngere an einer Weiterbildung zum Techniker, Meister etc. teil. In den Betrieben wurden Zusatztarifverträge abgeschlossen. Für die Zeit nach der Kurzarbeit wurde bei Fortdauer der Krise eine 28-Stunden-Woche mit Teillohnausgleich geregelt (31 Stunden sollten bezahlt werden). Über Kürzungen bei den tariflichen Einmalzahlungen beteiligten sich die Belegschaften an den Kosten der Kurzarbeit. Es kam nur in wenigen Betrieben zu Entlassungen.

Die Banken und Sparkassen verweigerten sich einem Regionalfonds. Sie verlangten 16 bis 18 Prozent Überziehungszinsen, obwohl sie selbst Geld für 1 Prozent Zinsen erhielten.

Deshalb kam es am 17. Juni 2009 zu einem "Aufstand der Anständigen". An den Esslinger Banken hängten die Metaller/innen ihr "letztes Hemd" auf.
Aber auch die Landesregierung und die Landesbank verweigerten sich der Diskussion um einen Regionalfonds. Um für den Maschinenbau zu kämpfen, belagerten daraufhin Kolleginnen und Kollegen von Index/Traub und Heller im Herbst 2009 für zwei Tage die Landesbank in Stuttgart.

Ab Herbst 2010 entspannte sich die wirtschaftliche Situation und in vielen Betrieben lief zum Jahresende die Kurzarbeit aus. Die Betriebsräte versuchten zusammen mit der IG Metall so viele Kolleginnen und Kollegen wie möglich von den Kurzarbeits-Listen zu streichen - meist mit Erfolg. Die Wirtschaftslage verbesserte sich immer mehr, ab Herbst 2011 wurden in einigen Betrieben wieder Sonderzahlungen in Aussicht gestellt.

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Neben dem Einsatz in den Tarifrunden waren die letzten vier Jahre stark von Arbeitskämpfen in einzelnen Betrieben geprägt: Bei Putzmeister konnte so im Jahr 2012 nach der Übernahme des chinesischen Baumaschinenkonzerns Sany ein Standortsicherungstarifvertrag erzielt werden, der im Jahr 2015 verlängert wurde.

Im gleichen Jahr führte ein Streik bei der Nürtinger Firma HolzHer zwar leider nicht zur Tarifbindung, die Geschäftsleitung hält sich jedoch seither an tarifliche Bedingungen.

In einem neunwöchigen Arbeitskampf versuchte die IG Metall Esslingen 2013 mit den Beschäftigten die Schließung des Norgren-Standortes Großbettlingen zu verhindern. In einer der härtesten Auseinandersetzungen wurden von der Geschäftsleitung alle Register gezogen. Es blieb keine andere Wahl als zu streiken. Das Werk verloren wir, unsere Würde haben wir behalten.

Harte Verhandlungen haben im Jahr 2014 bei der Firma Brabant dazu geführt, dass Massenentlassungen verhindert wurden und ein Zukunftskonzept eine Chance bekam.

Die Auseinandersetzung um die geplante Verlagerung von ThyssenKrupp Presta nach Liechtenstein begann. Die Kolleginnen und Kollegen entwickelten ein tragfähiges Zukunftskonzept - Pro Steering - und kämpften auf kreative Weise für ihr Werk. Nach über neun Monaten Kampf mit mehrtägigen Betriebsversammlungen, Warnstreiks, Besuchen in der Zentrale in Essen und Werksbesetzung endete die Auseinandersetzung mit der endgültigen Schließung des Standorts Ende 2015. Dennoch hatte sich der Kampf gelohnt: Ein Sozialplan mit ordentlicher Dotierung konnte Mitte 2015 abgeschlossen werden.

Bielomatik meldete ein Schutzschirmverfahren an, 100 Beschäftigte sollten entlassen werden. In zahlreichen Verhandlungen gelang es, die geplanten Entlassungen deutlich zu reduzieren. Die Papiersparte wurde an Barry Wehmiller verkauft und nach Nürtingen verlagert. Mit Barry Wehmiller wurde ein Anerkennungstarifvertrag für die Papiersparte abgeschlossen.

Decoma in Altbach gab bekannt, dass das Werk mangels Folgeaufträgen Ende 2016 geschlossen werden soll. Die Verhandlungen über Sozialtarifvertrag, Interessenausgleich und Sozialplan wurden von Warnstreiks der Beschäftigten begleitet. Mit dem Druck der Belegschaft konnte zwar der Schließungsbeschluss nicht mehr abgewendet werden, aber ein guter Sozialplan wurde erzielt.

Am 3. Juni 2013 traf ein schwerer Schicksalsschlag die IG Metall Esslingen: Sieghard Bender starb völlig überraschend und wurde mitten aus dem Leben gerissen. Ein riesiger Verlust für die IG Metall Esslingen! Mit seinem Leitspruch: "Wer nicht aufrecht geht, sieht die Sterne nur in der Pfütze" hat er der IG Metall Esslingen nicht nur ein Motto, sondern vor allem einen Auftrag vermacht.

Am 24. September 2013 wurde Gerhard Wick zum Ersten Bevollmächtigten der IG Metall Esslingen gewählt.

Ausblick

Auch in der Zukunft wird sich die IG Metall für gute Arbeits- und Entgeltbedingungen einsetzen. Das Thema "Digitalisierung der Arbeit" mit dem für die ME-Branche so wichtigen Wandel "Industrie 4.0" wird für viele Jahre eine Herausforderung darstellen. Kommen Taxis, Busse und LKWs bald ohne Fahrer aus? Sind Roboter die besseren Chirurgen? Wird Bargeld überflüssig und wir bezahlen nur noch mit dem Handy? Werden Häuser und Siedlungen mittels 3-D-Druckern gebaut? Entlang solcher Fragen werden derzeit Zukunftsszenarien einer "digitalen Revolution" diskutiert. Deren Grundlagen sind immer leistungsfähigere IT-Systeme, hochentwickelte Robotik und Sensorik, 3-D-Drucker, Clouds und riesige Datensammlungen, die, miteinander kombiniert, erstaunliche Vorhersagen ermöglichen.

Unsere Aufgabe wird es sein, die Chancen für die Beschäftigten zu erkennen - beispielsweise die Reduzierung schwerer körperlicher Arbeit durch den Einsatz von Robotern oder auch ergonomische Hilfen - aber auch, negative Begleiterscheinungen zu minimieren: Crowdworking darf nicht dazu führen, dass es nur noch Soloselbständige gibt, die Entgrenzung von Raum und Zeit (z.B. Desksharing und Vertrauensarbeitszeit) darf nicht darin enden, dass es im Arbeitsleben keine Regeln mehr gibt und jede/r sich selbst überlassen bleibt. Wie regeln wir Arbeitszeit angesichts des zunehmenden Wunsches nach mehr Flexibilität? Wie tragen wir dafür Sorge, dass es betriebliche Mitbestimmung auch dann noch gibt, wenn Betriebe in Zukunft ganz anders "funktionieren"? Die IG Metall Esslingen wird ihre Mitglieder und die Beschäftigten auch bei dieser Entwicklung unterstützen und dabei helfen, gute Arbeitsbedingungen zu erhalten und bessere Arbeitsbedingungen zu schaffen - so wie sie es schon seit 125 Jahren erfolgreich macht!

Letzte Änderung: 20.06.2016