Kein Maulkorb für Betriebsräte

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20.11.2015 Bei geplantem Personalabbau keine Geheimhaltungspflicht für Betriebsräte

Ein geplanter Stellenabbau stellt nicht ohne weiteres ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis dar, das der Geheimhaltungspflicht des § 79 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) unterliegt. Eine Geheimhaltung scheidet dann aus, wenn der Arbeitgeber kein sachliches und objektives Geheimhaltungsinteresse geltend machen kann. Ein möglicher Wettbewerbsnachteil reicht hierfür nicht aus.

Die Arbeitgeberin informierte den Betriebsrat, 285 Stellen abbauen zu wollen. Im Rahmen dieser Information erklärte sie, der beabsichtigte Stellenabbau sei ein streng vertrauliches Geschäftsgeheimnis, dass unter die Verschwiegenheitspflicht des § 79 BetrVG falle. Die Belegschaft dürfe hierüber nicht informiert werden.

Geplanter Personalabbau streng vertrauliches Geschäftsgeheimnis?

Mit Schreiben vom 02.09.2014 forderte der Betriebsrat unter Hinweis auf eine zeitnah beabsichtigte Unterrichtung der Betriebsöffentlichkeit Aufklärung darüber, warum es sich bei dem beabsichtigten Personalabbau um ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis handele.

Die Arbeitgeberin erwiderte hierauf wie folgt:
"Sämtliche im Rahmen der Unterrichtung vom 29.08.2014 geteilten Informationen sind Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse im Sinne des Gesetzes und unterliegen der Geheimhaltung. Die einseitige Veröffentlichung von Informationen stellt eine massive Belastung der vertrauensvollen Zusammenarbeit dar.

Die Arbeitgeberin wird jedes Betriebsratsmitglied persönlich straf- und haftungsrechtlich voll für seine Tätigkeit verantwortlich machen."

Betriebsrat leitet Beschlussverfahren ein!

Nachdem bis zum 12.09.2014 zwischen dem Betriebsrat und der Arbeitgeberin keine Einigung erzielt werden konnte, reichte der Betriebsrat ein Beschlussverfahren beim Arbeitsgericht (ArbGer) Elmshorn ein.

Er beantragte festzustellen, dass der von der Arbeitgeberin mit Datum vom 29.08.2014 gegenüber dem Betriebsrat mitgeteilte Personalabbau, zum Zeitpunkt der Mitteilung kein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis im Sinne des § 79 BetrVG war. Die Arbeitgeberin beantragte die Zurückweisung des Antrags

Betriebsrat in zwei Instanzen erfolgreich

Mit Beschluss vom 13.11.2014 gab das ArbGer Elmshorn dem Antrag des Betriebsrats statt. Gegen diesen Beschluss legte die Arbeitgeberin Beschwerde beim Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein ein, welches durch Beschluss vom 20.05.2015 die Beschwerde zurückwies.

Das Landesarbeitsgericht eröffnete für die Arbeitgeberin den Weg, seine Entscheidung durch das Bundesarbeitsgericht (BAG) erneut überprüfen zu lassen, da die streitigen Rechtsfragen noch nicht höchstrichterlich entschieden wurden und von grundsätzlicher Bedeutung seien. Hiervon machte die Arbeitgeberin jedoch keinen Gebrauch, sodass der Beschluss des Landesarbeitsgerichts nunmehr in Rechtskraft erwachsen ist.

Kein objektives und sachliches Interesse des Arbeitgebers an Geheimhaltung

Der Beschäftigungsabbau stelle nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts kein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis dar und unterliege daher nicht der Geheimhaltung i.S.d. § 79 BetrVG. Es fehle ein sachliches und objektives Interesse der Arbeitgeberin an der Geheimhaltung.

Ein allgemeines Geheimhaltungsinteresse gegenüber den Wettbewerbern begründe keine Verschwiegenheitspflicht. Ein solches Interesse habe jeder Arbeitgeber. Der Betriebsrat hingegen könne seine Rechte nur bei einem Informationsaustausch mit den Arbeitnehmern sachgerecht wahrnehmen.

Auch wies das Landesarbeitsgericht im Rahmen des Verfahrens einen Antrag der Arbeitgeberin zurück, mit dem diese den Ausschluss der Öffentlichkeit an den Verhandlungen beantragte.

Anmerkung:

Die Entscheidungen des Arbeitsgerichts und des Landesarbeitsgerichts sprechen für sich. In aller Deutlichkeit wies das Landesarbeitsgericht daraufhin, dass das Ansinnen des Arbeitgebers den Betriebsrat zur Geheimhaltung im Hinblick auf den geplanten Personalabbau zu verpflichten, ein unsinniges ist.

Offenkundig hat dies auch die Arbeitgeberin erkannt nachdem sie sich den Beschluss des Landesarbeitsgerichts zu Gemüte führte, weshalb sie wohl auch davon absah ihr die vom Landesarbeitsgericht eingeräumte Möglichkeit wahrzunehmen und die zweitinstanzliche Entscheidung durch das BAG überprüfen zu lassen.


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Letzte Änderung: 11.11.2015