S 21: IGM Esslingen fordert Moratorium

Stuttgart 21

22.09.2010 Die Delegiertenversammlung der IG Metall Esslingen hat einen sofortigen Abrissstopp am Stuttgarter Hauptbahnhof, Gespräche zwischen Befürwortern und Gegnern sowie einen Volksentscheid gefordert.

Die beschlossene Tieferlegung des Stuttgarter Hauptbahnhofs (S 21) und die geplante Neubaustrecke (NBS) von Wendlingen nach Ulm stoßen bei großen Teilen der Bevölkerung der Region auf Ablehnung. Seit scheibchenweise immer mehr Details über die Planungen bekannt werden, demonstrieren jede Woche zigtausend Menschen dagegen. Das Ausmaß des Protests und seine vielfältigen und phantasievollen Formen haben inzwischen bundesweit für Aufsehen gesorgt. Zwischenzeitlich sind auch Befürworter der Projekte aktiv geworden. Wir begrüßen es ausdrücklich, dass sich Bürger für Themen, die sie betreffen, engagieren. Dies ist eine grundlegende Voraussetzung für ein funktionierendes Gemeinwesen und gerade auch für uns als Gewerkschaften oft das einzige Mittel Einfluss auf Entscheidungen zu nehmen.

Die Diskussion, welches Konzept das bessere ist, spaltet die Öffentlichkeit und reicht auch in die gewerkschaftliche Diskussion hinein. Dies ist insbesondere einer völlig unzureichenden Bürgerbeteiligung im Prozess der Entscheidungsfindung geschuldet. Ein Bürgerbegehren mit 67.000 Unterschriftengegen S 21 wurde einfach ignoriert. Das Projekt wurde verkündet, statt die kritischen Fragen zu diskutieren. Dieses Vorgehen zeigt, wie wichtig auch in Baden-Württemberg eine weitergehende, gesetzlich abgesicherte Bürgerbeteiligung durch Volksbegehren und Volksentscheid ist.

Als Gewerkschaft setzen wir uns neben der Verbesserung der Arbeitsbedingungen auch für bestmögliche Lebensbedingungen ein. Ohne hier die eisenbahntechnischen Detailfragen der Projekte S 21 und NBS sowie möglicher Alternativen (z.B. K 21) dazu bewerten zu wollen, muss man bei solchen Großprojekten, wo Milliarden an Steuergeldern ausgegeben werden, nach dem größtmöglichen Nutzen fragen.

Bereits vor Baubeginn sind die offiziellen Kosten deutlich gestiegen, allein bei der NBS um ca. 900 Mio. EUR. Die aktuelle Kostenplanung wird offiziell mit 7 Mrd. EUR (S 21: 4,1 Mrd.EUR, NBS: 2,9 Mrd. EUR) beziffert. Gegner der Projekte befürchten, dass die Kosten auf weit über 10 Mrd. EUR steigen werden. Viel Geld in Zeiten, in denen bei Bund Land und Gemeinden das Geld knapp ist und überall Sparpakete diskutiert werden. Wir werden in den nächsten Wochen gegen die unsoziale Sparpolitik auf die Straße gehen, und da muss man erwarten, dass Milliardenausgaben für Großprojekte auch wirklich einen entsprechenden Nutzen bringen. Die Gemeinden im Landkreis Esslingen sollen sich jährlich mit 1,8 Mio. EUR an S 21 beteiligen, und das 10 Jahre lang. Für die Stadt Esslingen bedeutet das jährlich ca. 350.000 EUR, für Filderstadt 164.000 EUR, und für Nürtingen, Kirchheim, Leinfelden-Echterdingen und Ostfildern jeweils um die 135.000 EUR. Gelder, die für andere Aufgaben fehlen werden.

Und auch bei den für den Ausbau der Schieneninfrastruktur zweckgebundenen Mittel des Bundes, muss die Frage geklärt sein, welche Projekte vorrangig sind. Das könnte die ICE-Strecke Frankfurt-Mannheim sein, oder die Rheintaltrasse, die für den Güterverkehr der Zukunft von entscheidender Bedeutung sein wird, oder die Strecken Friedrichshafen-Ulm und Srtuttgart-Zürich. Für die Bürger der Region Mittlerer Neckar hat der Ausbau des Nahverkehrs, insbesondere der S-Bahn eine zentrale Bedeutung. Die Befürworter von S 21 und NBS argumentieren mit hohen Ausstiegskosten und auch bei der Realisierung alternativer Varianten würden natürlich Kosten entstehen.

Um die drohende Spaltung in der Bevölkerung zu verhindern und um eine fundierte Meinungsbildung zu ermöglichen bedarf es Zeit und umfassender Informationen. Deshalb unterstützt die IG Metall Esslingen die Forderung nach einem Moratorium, d.h. ein Aussetzen der Bau- bzw. Abrissarbeiten, um während dieser Zeit einen Diskussionsprozess zwischen Befürwortern und Gegner von S 21 und NBS zu organisieren. Diese Diskussion muss öffentlich geführt werden, um jedem interessierten Bürger eine fundierte Meinungsbildung zu ermöglichen. Am Ende eines solchen Prozesses muss dann ein Bürger-/Volksentscheid stehen.

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Letzte Änderung: 22.09.2010